Digitalisierung: Etribes-Chef Fabian J. Fischer über Digital Business nach Corona

2022-06-24 19:19:10 By : Ms. Grace Wang

"Was wir brauchen, ist ein echter digitaler Wandel", findet unser Autor 

In der Pandemie ist vielen Unternehmen ein digitaler Sprung gelungen – doch Krieg und Energiekrise drohen jetzt zur Bremse zu werden. Statt auf Rettung durch die Politik zu warten, müssen Firmen Eigeninitiative zeigen. 

Fabian J. Fischer ist Vorstandschef des Hamburger Unternehmens Etribes, das Mittelständler und DAX-Konzerne bei den Herausforderungen der Digitalisierung berät. Dazu ist er Co-Gründer der Risikokapitalfirma Picea Capital.

Mit Klimakatastrophe, Corona und Krieg zeigt sich heute wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik, welchen Belastungen wir als Gesellschaft ausgesetzt sind. Unternehmen sind dabei in besonderem Maße gefragt, Lösungen zu liefern, weil sie der Motor für das Miteinander sind. Das schreibt sich leichter, als es getan ist. Zumal seitens der Politik nur sehr träge Impulse kommen. Der Digitalpolitik „Etikettenschwindel“ vorzuwerfen, ist nicht weit hergeholt.

Als es Anfang 2020 in den ersten Corona-Lockdown ging, herrschte Unsicherheit. Die volks- und betriebswirtschaftlichen Implikationen eines weitgehend stillgelegten Systems waren nicht vorhersehbar. Investitionen wurden gestoppt, Notfallpläne eilig erarbeitet – in den Schubladen lag kein Masterplan. 

Doch schnell wurden neue Lösungen entwickelt: Wenn die Menschen zu Hause bleiben müssen, kaufen sie eben online. Oder sie lassen sich per Telemedizin versorgen. Oder halten Meetings eben per Videokonferenz ab. Not macht erfinderisch, verheißt eine alte Binse. Die Corona-Pandemie hat uns gelehrt, dass es genau so kommen kann. 

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Plötzlich löste sich der gordische Digital-Knoten bei Konzernen, Mittelständlern und anderen Unternehmen. Die Digitalisierung wurde nun nicht mehr nur auf PowerPoint-Folien vorgedacht, sondern gemacht.

Zwar heißt es, dass „die Digitalisierung durch die Pandemie beschleunigt wurde“. Bei genauerem Hinsehen – wie es die Wissenschafter Johanna Sprondel und Sascha Friesike etwa gemacht haben – offenbart sich jedoch, dass es mit Digitalisierung allein noch nicht getan ist. Was wir brauchen, ist ein echter digitaler Wandel. 

„Die Digitalisierung macht einiges für einige einfacher zugänglich, sie verändert die Sache als solche nicht“, schreiben Sprondel und Friesike. Digitalisierung sei nur ein „Vehikel für einen Transformationsprozess“, um die Dinge „von Grund auf anders zu denken. So entsteht auf der Basis digitaler Technologien eine digitale Transformation, die buchstäblich neue Welten öffnet.“

Lässt man das einmal auf sich wirken, tut sich ein Weg aus der aktuellen, brenzligen Situation auf: Statt den stationären Handel einfach in einen Onlineshop zu verlagern (Digitalisierung), braucht es nun komplett neue, digitale Geschäftsmodelle (digitaler Wandel). Statt interne Kommunikation nur vom Büroflur auf den Bildschirm zu verlagern, braucht es ein grundlegend neues Verständnis von der Art und Weise, wie wir miteinander am besten umgehen. 

Einmal mehr bietet eine extreme Situation die Möglichkeit, mit Mut nach vorn zu gehen. Zurück zum „Normalen“ wird es nicht gehen, das sollte spätestens jetzt klar sein. Und die Lehren aus der Pandemie zeigen, dass nicht zu investieren, gravierende Folgen für den wirtschaftlichen Erfolg haben kann. 

Entscheidungen für Investitionen in digitale Geschäftsmodelle, in die eigenen Mitarbeitenden, in andere, für eine Übernahme attraktive Unternehmen – unter der aktuellen Unsicherheit sind sie besonders risikoreich. Sich aus der Krise herauszusparen, wird jedoch langfristig nicht zum Erfolg führen.

Auf Impulse der Politik darf da niemand warten. So sind etwa die „KI-Voucher“, die in der kürzlich präsentierten Start-up-Strategie des Wirtschaftsministeriums angekündigt wurden, um Investments von KMUs in Start-up-Technologie zu fördern, auch nur ein weiterer Flicken auf dem mäßig wirksamen Förder-Teppich. 

Aber: Jeder Euro, der jetzt in weitgehend eigenständige, digitale Geschäftsmodelle investiert wird, wird sich in den kommenden Jahren des Aufschwungs zigfach rentieren. Unternehmenslenker sind also gut beraten, wenn sie aus den Lehren der Pandemie die richtigen Schlüsse ziehen und den digitalen Wandel um jeden Preis vorantreiben. Wer Budgets einfriert, verliert. Es geht bei „Digital Business“ um nicht weniger, als zu überleben. Kein Schritt zurück, sondern zwei nach vorn – das ist das Gebot der Stunde.

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